Die Kunsthalle Wilhelmshaven richtet Christian Keinstar, *1975, seine erste große Einzelausstellung ein. In der dreigeschossigen Kunsthalle wird der vielseitige Bildhauer zehn neue Arbeiten einrichten. Dabei spielt die Art-brut-Architektur des Kunsthallenbaus aus Beton, Glas und Stahl von 1968 genauso wie die an Brüchen reiche Geschichte der 1869 gegründeten Marinestadt eine richtungweisende Rolle.
Der Kölner, der bei Jürgen Klauke von 2000 bis 2005 studierte, bewegt sich im Schnittfeld von Bildhauerei, Performance und Medienkunst. In seinen Kunstprojekten und Videoperformances im Innen- und Außenraum geht er an die Grenze des Machbaren, sei es in der körperlichen Aktion, sei es in der Beschaffenheit und Belastbarkeit des Materials wie Sichtbeton, Stahl, glühenden Heizstäben oder erhitztem Flüssigblei. „Experimentalphysik mit künstlerischen Mitteln“, charakterisiert Claudia Benthien deshalb sein vielseitiges Werk. Im Gegensatz zum rohen Materialeinsatz der Arte Povera-Künstler, Jannis Kounellis etwa, gehen Keinstars tonnenschwere Werke oft in einen visuell ephemeren Zustand über. In For Repressors, 2007, setzt er erstmals einen langen, quer durch einen Dunkelraum gespannten, heiß glühenden Hoch-leistungs-Rohrheizkörper ein, der als flüchtige „Zeichnung im Raum“ und unantastbare Energiequelle anziehend und abschreckend zugleich wirkt. Die dreiteilige Skulptur Do You See The Light, 2011, die für Wilhelmshaven geschaffen wurde, entwickelt diese Idee durch eine körperlich-existenzielle Formensprache weiter (Abb.). Die Kapazitäten und Synergien von Stoffen und Räumen reizt Keinstar aus, um deren Ambivalenz zwischen Schönheit und Schrecken, von positiver, Segen bringender und negativer, zerstörerischer Qualität vorzuführen. Auch in der vielteiligen Skulptur ZwanzigZehn aus Beton und vertikal auskragenden Glühstäben, die 2010 für das Kunstmuseum Bonn entstand, führt er anhand eines modernen „Turms zu Babels“ die unheilige ästhetische Allianz von verquerer Stadtbauplanung, Terrorismus und Monumentalphantasien vor. Es stellt sich die Frage, ob die Schönheit der Gefahr, die Keinstars Arbeiten auf unterschiedlichen Ebenen zeigen, beim Betrachter überwiegt, und damit Variationen eines „romantischen Pessimismus“ (Keinstar) darstellen.