Die Kunsthalle Wilhelmshaven schreibt den Preis der NORDWESTKUNST alle zwei Jahre aus. In den letzten Jahren hat die Auszeichnung unter Künstlern der Nordwest-region kontinuierlich an Resonanz gewonnen. Die Auswahl der Preisträger durch externe Fachpersonen, die sorgfältig kuratierten Werkpräsentationen und nicht zuletzt die individuelle Auseinandersetzung der Preisträger mit dem Ausstellungsort haben immer wieder zu unverwechselbaren Interventionen geführt, wie zuletzt Clemens Botho Goldbachs eindrückliche architektonische Skulptur Ruine von 2010, die den modernen Kabinettraum der Kunsthalle Wilhelmshaven für einen Winter lang in einen mittelalterlichen Chorraum verwandelte.
Trotz der Dominanz von Malerei und Zeichnung unter den 450 Einreichungen im letzten Jahr wählte die Jury erstmals zwei Bildhauer aus: Axel Loytved aus Hamburg (1982) und Marion Lehmann aus Bremen (1968). Beide Künstler arbeiten im Grenzbereich von Bildhauerei und Installation. Bei beiden entsteht die Skulptur erst durch einen längeren, verdichtenden Arbeitsprozess, der Kunst- und Alltagswelt miteinander verknüpft. Stapeln, Schieben, Legen und wieder Auseinandernehmen ist bei Lehmann wesentlicher Teil der Arbeit. Loytved überführt amorphe Alltagsdinge wie Socken, Fritten oder Papier durch einen verblüffend einfachen und zugleich raffinierten Arbeitsprozess in eine präzise bildnerische Ordnung. Komprimierte, autarke Energie (Lehmann) trifft auf anarchische Formfindung (Loytved).
In Vorbesprechungen zur gemeinsamen Ausstellung haben sich die beiden Künstler entschlossen, ein gemeinsames ortsbezogenes Konzept zu entwickeln und auf die speziellen Raumbedingungen der Kunsthalle Wilhelmshaven zu reagieren. Entgegen dem offenen Raumplan der 1968er-Architektur sollen dabei die gewohnten Wege neu geordnet und weniger prominente Stellplätze sichtbar werden. „Tutti“ (dt. alles) wird somit nicht nur eine Tandemausstellung der beiden Bildhauer zeigen, sondern auch einen dritten, gewissermaßen „analytischen“ Teil mit ins Spiel bringen. Die Architektur der Kunsthalle Wilhelmshaven begreifen die Künstler nämlich nicht lediglich als Hülle, sondern vielmehr als aktiven, ästhetischen Mitspieler, dessen skulpturale Qualitäten sie durch pointierte Setzungen zu Tage treten lassen werden.